Lesespur

Bücher sind ein Zugang zur Welt, zu Erfahrung und Wissen, zum Inneren der Menschen und deren verschiedener Charaktere  - und letztlich auch zu sich selbst. Beim Lesen werden Denken und die Phantasie ganz anders und viel umfänglicher angeregt als beim Anschauen von Filmen. Während des Lesens entwickeln sich in gedanklicher Begleitung der Geschichte stets neue Einblicke und Ideen, spinnen sich Fäden weiter, stellen sich Fragen und tun sich Probleme im Verständnis auf, die gelöst werden wollen. Deshalb hat Lesen Folgen und es bleibt viel hängen.

Kurzum, ein gebildeter Mensch liest. Doch was?​

Doch wie kommt man auf wirklich gute und interessante Bücher? Durch Zufall? Durch Buchbesprechungen in der Zeitung (wer liest so etwas als Schüler?!)?

Durch die Schule - oder aber durch Freunde?!

Wohl dem, der Freunde hat, die Bücher schenken, bewusst weitergeben oder davon erzählen!

Bei uns im Bund werden nach wie vor gerne Bücher verliehen und verschenkt. So können sich über die Jahre jedem Interessierten neue Autoren, Blickwinkel, Wissensgebiete und damit letztlich auch Welten erschließen. Doch leider ist das oft auf das jeweilige persönliche Umfeld, auf Freundschaften, Horte und Orden beschränkt.

Daraus entsprang die Idee der Lesespur, wo wir insbesondere für Jüngere und Erwachsenwerdende interessante, aber eben nicht unbedingt allgemein bekannte Bücher, aber auch interessante Artikel vorstellen und damit etwas breiter bekannt machen wollen.

Diese Seite wird sich mit der Zeit immer weiter füllen und wer selbst gute Lesevorschläge hat, die hier aufgeführt werden können, kann sie uns gerne schicken.

Wind, Sand und Sterne

Autor:
Antoine de Saint-Exupéry
Karl Rauch Verlag

Ab 14, für den heranwachsenden Wandervogel eigentlich ein Muss…

Zum Vorlesen geeignet

In Wind, Sand und Sterne verarbeitet Antoine de Saint-Exupéry, der Autor des „Kleinen Prinzen“, seine Erlebnisse als Pilot und als reisender Journalist. Im Grunde ist es eine autobiografische Schrift, gleichzeitig aber auch Erzählung, Roman und nebenbei ganz klar auch ein philosophisches Werk. Es steckt jedenfalls voller Lebenserkenntnisse, die Saint-Exupéry sprachgewaltig entfaltet. Themen sind dabei: Freundschaft und Kameradschaft, die Fliegerei in ihrer abenteuerlichen Anfangszeit, die Kolonialkonflikte in Marokko, die Erhöhung des Menschen, das Geheimnis der Wüste, der Zauber der Sterne und die Gewalten der Natur.

Die Grundgedanken seiner Geschichten führen immer zu einer Verknüpfung von männlich-ritterlicher, vielleicht sogar heldenhafter Abenteuer-Romantik mit den Ansprüchen an den Menschen und dessen Vervollkommnung. Dadurch, daß sich spannende abenteuerliche Erzählungen, so z.B. von Aufständischen im Riff-Gebirge, von der verzweifelte Suche nach einem Ausweg nach einer Bruchlandung in der Sahara oder dem Freikauf eines Sklaven mit Überlegungen mischen, die der beständigen Frage nachgehen, wie soll der Mensch sein, was macht ihn aus?! werden die philosophischen Fragestellungen und versuchte Antworten nicht zu einer schweren Fracht, durch die man ins Straucheln kommt, sondern fast nebenbei mal hier und da eingestreut. Am Ende ist es ein Buch, bei dem man fast jede Zeile unterstreichen möchte und das sich diesbezüglich auch irgendwie immer weiter steigert.

Sicher, Saint-Exupéry neigt dazu Dinge aus seiner Sicht in einer gewissen Radikalität auf den Punkt zu bringen. Für alle, denen die mann-männliche oder auch die heldische Welt noch nicht völlig fremd geworden ist, die vielleicht auch schon ein wenig reale Welterfahrung haben sammeln können, ist das in vielem gewiß eine Freude, vielleicht auch Bestätigung. Für andere, die sich vor dem Anecken und echten Problemstellungen eher scheuen und die Welt lieber in rosarotem Plüsch oder irgendwie ideologisch verhüllt sehen wollen, ist das Buch hingegen wahrscheinlich ein Graus.

Wind, Sand und Sterne ist, ganz in unserem Wandervogelsinne, eine Huldigung an den ganzheitlichen Menschen, der nach Vervollkommnung strebt, und dadurch ist es auch ein Stachel und vielleicht – im positiven Sinne -  Antrieb, im faustischen Sinne nicht stehenzubleiben, nach mehr und immer mehr Erkenntnis und Erfahrung und Fülle zu streben.

Für Jungen auf dem Weg zu Mannwerdung, für alle (Selbst-) Denkenden und für heranwachsende Wandervögel ein unbedingtes Muss!

Da man das Buch nicht unbedingt in Gänze und hintereinander lesen muss, sondern sich einzelne Episoden herauspicken kann, ist es zum Vorlesen gut geeignet, auch und gerade dann, wenn man mit Jungen und Heranwachsenden das Gespräch über philosophische Fragen sucht.

Für Wind, Sand und Sterne hat Antoine de Saint-Exupéry in Frankreich den großen Romanpreis der Académie française erhalten und auch in Amerika wurde das Buch zum Publikumserfolg. Es war das Buch des Monats, das Buch des Jahres und erhielt den National Book Award.

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Die Enden der Welt

Autor:
Roger Willemsen
Fischverlag

ab 14

„Aber wenn man sagt: Bis hierher und nicht weiter – hat man zwar eine Grenze gesetzt, doch zugleich alle Aufmerksamkeit auf das konzentriert, was hinter dieser Grenze liegen könnte. Eigentlich hat man damit ihre Überschreitung vorstellbar gemacht, oder?“

In seinem Reisebericht „Die Enden der Welt“ sucht der Autor Roger Willemsen nach seinen eigenen, ganz persönlichen Enden der Welt. Auf fünf Erdteilen beschreibt er praktische, aber auch philosophische Probleme die es auf seiner Suche zu lösen gibt und den ein oder anderen von uns an vergangene Fahrten erinnert. Eins wird aus den Berichten sehr schnell klar: Wo die Enden der Welt zu finden sind muss jeder für sich entscheiden. Willemsen findet sie am Himalaja, in einer Behörde im Kongo und sogar auf einem schneebedeckten Acker in der Eifel.

Willemsen schreibt selbst komplexe Gedankengänge sehr bildhaft und verständlich, wodurch er dem Leser die Möglichkeit gibt den doch relativ umfangreichen Roman mit seinen etwa 500 Seiten zügig zu lesen. Zudem erhalten verschiedene zwischenmenschliche Beziehungen und das ein oder andere Abenteuer einen „Roten Faden“ der die gesamte Reise über nicht abreißt.

In meinen Augen hat das Buch seinen Sinn dann nicht verfehlt, wenn sich der Leser am Ende fragt, wo er wohl seine nächste Grenze findet die es zu Überschreiten gilt. Aus diesem Grund ist es vor allem an junge Menschen und ganz besonders die bündische Welt zu empfehlen.

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Häuptling Büffelkind Langspeer erzählt sein Leben

Autor:
Lamuv Verlag, im Buchladen als Taschenbuch erhältlich

Für Jungs ab 11  (es geht zumeist um das  Heranwachsen und verschiedenste Abenteuer von Indianerjungen)

gut geeignet zum Vorlesen

Die kurzweiligen, spannend geschriebenen Geschichten versetzten den Leser in das Leben eines Indianerjungen, der in verschiedenen Episoden aus seiner Erlebniswelt in einer vom „Weißen Mann“ und Gender-BeauftragtInnen noch unberührten Umgebung berichtet. Die sehr authentisch wirkenden Geschichten beschreiben, wie er zusammen mit anderen Jungen seine Kindheit verbringt, wie er sich beispielsweise durch Mutproben seine ersten Federn verdient und zum Krieger wird.

Man rückt sehr nah an die Indianer und deren Leben heran, hat das Gefühlt dabei und mitten im Geschehen zu sein, vorallem dann, wenn man noch jungenhaftes und männliches in sich trägt und einem nicht alles fremd und fern erscheint, was jenseits von Innenstadtwohnung, Zentralheizung und Gender-Ideologie liegt.

Wer schon Winternächte in der Kohte erlebt hat, wird es fröstelnd nachvollziehen können, was es bedeutet, noch vor der Morgendämmerung vom großen Bruder jäh mit einem unter die Wolldecke geschobenen Eisblock geweckt, aus den Schlaffellen und barfuß durch den Schnee zum nahen Fluß gezerrt zu werden. Dort hackte der Bruder ein Loch ins Eis und warf den kleinen Büffelkind hinein. Als der sich weinend beim Vater beschwerte, gab dieser ihm den Auftrag, das Eisbad ab jetzt jeden Morgen alleine zu machen.

Gerade das Heran- und Hineinwachsen in die Lebenswelt eines Kriegers wird immer wieder sehr plastisch und zum mitfiebern beschrieben. Dazu gibt es viele schön erzählte Einblicke in die Natur und Tierwelt, in religiöse Rituale, in die Unterschiede zwischen den Stämmen und zu einzelnen herausragenden Häuptlingen und Medizinmännern.

Jedes Kapitel von denen einzelne lauten;  Schwör bei dem Horn!;  Was bedeutet ein Indianername?; Das Werden eines Kriegers;  Bergschafe, Bergziegen, Berglöwen, steht für einen der genannten Bereiche oder eine Episode. Dadurch muß das Buch nicht unbedingt am Stück und in Gänze gelesen werden, man kann sich auch einzelne Geschichten herauspicken. Dadurch ist Büffelkind Langspeer ein klassisches Vorlesebuch, das besonders gut zu einer Nordlandfahrt einer Jungengruppe passt, denn in solcher Umgebung haben die Schwarzfüße gelebt und so manches Wiedererkennen wird das Leseerlebnis steigern.

Büffelkind Langspeer hat seine Erinnerungen an eine Kindheit im Stamm der Schwarzfußindianer, die in der kanadischen Provinz Alberta lebten, 1928 aufgeschrieben. 1932 hat er sich, offenbar weil er mit der Welt der Weißen nicht zurechtkam, in Los Angeles das Leben genommen.

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Into the Wild

Autor:
Jon Krakauer
Piper Verlag

"Das eigentlich Wichtige sind die Erfahrungen, die man macht, die Erinnerungen und die triumphale, überschäumende Freude, die einen durchströmt, wenn man das Leben in vollen Zügen genießt. Gott, das Leben ist so schön! Vielen, vielen Dank." Tagebucheintrag Alex Supertramp

Alex richtiger Name ist Christopher McCandless, doch den hat er ebenso abgelegt und hinter sich gelassen wie sein bürgerliches Zuhause. Chris sucht das Echte, das Ideal, das Abenteuer, darüber auch sich selbst. "Ein Idealist, der weiß, daß er nicht in die Gesellschaft passt", wie seine Schwester später sagt. Schon gar nicht in eine verlogene, materialistische, nur scheinbar „heile" Bürger-Welt, wie sie auch seine durchaus wohlhabenden, aber ständig zerstrittenen Eltern vorleben.

In einer Schlüs­sel­szene wird sein Konflikt mit seinen Eltern deutlich: Nach seinem ersten Hoch­schul­abschluß verwei­gert McCand­less das Angebot der Eltern ihm einen neuen Wagen zu schenken. Er sei nicht an "Dingen, Dingen, Dingen" inter­es­siert, betont er ausdrück­lich und umschreibt damit den Wunsch nach ulti­ma­tiver Freiheit.

Mit 22 Jahren, unmittelbar nachdem er sein erstes Studium erfolgreich beendet hat, verschenkt er all sein, für das geplante Folgestudium an der Eliteuniversität Harvard, ersparte Geld, immerhin 24.000 $, und bricht ohne Verabschiedung, ja, ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen zu einer Reise auf, die ihn zwei Jahre lang quer durch die USA führen wird.

Schon bald lässt er seinen alten, kleinen Nissan irgendwo in der Wüste stehen und verbrennt seine letzten Dollar. Nun ist er nur noch ganz einfacher Mensch, frei und ungebunden. Er trampt, springt auf fahrender Güterzüge, paddelt mit dem Kanu auf dem reißenden, schäumenden Colorado-River bis zum Meer, trifft Vagabunden, Hippies und Farmer. Er übernachtet im Schlafsack draußen in der Natur oder läßt sich einladen. Da es ganz ohne Kleingeld doch nicht geht, arbeitet er bisweilen ein paar Wochen in Fast-Food-Restaurants oder auf Farmen. Doch nirgendwo bleibt er länger als zwei Monate. Ein paar Mal entgeht er nur knapp dem Tod - meist aus Unerfahrenheit oder Naivität.

Zwei Jahre Fahrt; für Alex Supertramp ist es pures Abenteuer.

Chris  lebt sein neues Leben oft bis zur Grenze des Machbaren, immer auf der Suche, immer fragend und schauend, immer weiter strebend. Schon in der Schule war Chris arbeitsam und geschäftstüchtig und verdiente eigenes Geld mit einem Fotokopierservice und fuhr Touren für einen Pizzaservice. In Diskussionen vertrat er eine kompromisslos soziale bis sozialistische Sicht und war dennoch kein typischer „Linker“, sondern wegen seiner radikal libertären Einstellung ein Anhänger Ronald Reagans. So ließ er sich auf seiner zweijährigen Wanderung auch nicht vom träge-süßen Hippileben einfangen, jedoch auch nicht vom harten und derben Farmerdasein. Auch ein älterer, einsamer Witwer der für eine Weile Freund und ein wenig Ersatzvater wird kann ihn nicht halten. Ihn zieht die Sehnsucht nach dem ultimativen Natur-Erleben. Er will nach Alaska, mitten hinein in eine, in seinen Augen, noch unberührte Wildnis.

​Dort, in der Abgeschiedenheit der wilden Natur, erhofft er sich das ursprünglichste und purste Leben, doch dort in traumhaft schöner Landschaft, die sich jedoch auch brutal hart und unverzeihend zeigt, endet schließlich seine zweijährige Reise. Nur spärlich ausgerüstet erreicht er nach vier Tagen Fußmarsch ein rostiges, bei einem abgebrochenen Straßenbauprojekt vor langer Zeit mitten in der Wildnis irgendwo  am Stampede Trail zurückgelassenes Buswrack. „The magic bus", ausgerüstet mit einem kleinen Ofen und einer Matratze, wird für gut 100 Tage seine Unterkunft.  

​Mit einem zuvor in Fairbanks gekauften Gewehr schießt er Wild, Vögel und auch einen Elch und sammelt Beeren, Pilze und wilde Kartoffeln. Dennoch, wir alle, die wir uns auf Fahrten auch schon ein wenig weiter in die Wildnis vorgewagt haben wissen, daß Selbstversorgen und Überleben draußen nicht ganz so einfach ist.

Als sich seine mitgebrachten Reisvorräte dem Ende zuneigen und kaum noch Tiere auftaucht, wird Alex nervös und will zurück in die Zivilisation. Auch des Alleinseins, das er ja immer wieder suchte, wird er überdrüssig: „Glück ist nur echt, wenn man es teilt!“ schreibt er in sein Tagebuch. Doch die Flüsse, die im Winter mühelos zu durchwaten waren, sind durch das Tauwasser jetzt im Sommer reißende Ströme. Niedergeschlagen schreibt er in sein Tagebuch: "Fluss unmöglich zu überqueren. Fühle mich einsam, habe Angst." Nur wenige Tage nach seinem Hungertod finden ihn Elchjäger im Bus, eingehüllt in seinen Schlafsack. Die Medienberichte darüber gehen um die Welt, bewegen und rühren viele, vornehmlich junge Leute.

​Jon Krakauer, dessen Buch über McCandless' Lebensgeschichte zum Bestseller wurde, gehört zu dessen Bewunderern: "McCandless war nicht irgendein hohler Traumtänzer, ziel- und orientierungslos und von einer existentiellen Hoffnungslosigkeit befallen. Im Gegenteil: Er wollte leben, und zwar so intensiv wie irgend möglich, und er wusste auch, wofür."

Anhand von Chris McCandless Tagebuch und vielen Gesprächen mit den Leuten, bei denen Chris Station machte, hat er dessen beiden letzten Lebensjahre recherchiert und eine spannende, abenteuerliche Geschichte daraus verfasst, die einen mitnimmt, ja, tief berührt und auch gedanklich nicht mehr loslässt, auch später nicht mehr, wenn das Buch längst ausgelesen ist. Besonders dann, wenn die Wellenlänge passt und ähnlich Sehnsüchte in einem schlummern, was für Wandervögel nicht ganz unwahrscheinlich ist.

Ein wenig „Held“ und Vorbild ist Alex Supertramp also durchaus, denn er hat sich was‘ getraut und Ideen und Träume einfach umgesetzt, die ihm wichtiger waren als Karriereaussichten, Sicherheiten und sonstige Fangnetze. Wenn einem gelegentlich das Buch mal wieder ins Auge fällt, erst recht bei Alaska- und Kanadafahrten in ähnlicher Landschaft, kehren unweigerlich jene grübelnden Gedanken zurück; Was treibt einen jungen Menschen an, alles zurückzulassen und so bedingungslos in die Wildnis zu gehen?

​"Into the Wild" ist deshalb weit mehr als ein Abenteuerbuch und Huldigung an die Natur oder die Geschichte eines jungen Aussteigers; es ist ein Weckruf an die Seele, ein Stachel wider die wohlige Trägheit, eine Aufforderung sich auch auf den Weg zu machen, auf den Weg zu sich selbst, zur Vervollkommnung, um sein Menschsein so weit als möglich auszuschöpfen. Man braucht es ja nicht gar so weit zu treiben wie Chris, auch auf ausgedehnten Fahrten lassen sich so mache unmittelbare Natur-, Lebens- und Glückserfahrungen sammeln. Am schönsten geht das gemeinsam, denn „Glück ist nur echt, wenn man es teilt!“

​Film

Mit prächtigen Naturpanoramen, mitreißender Erzählkunst, vielen spannenden Momenten, tiefgreifenden Dialogen und tollen, vorallem sympathischen, liebenswerten Schauspielern hat Regisseur Sean Penn 2008 einen wunderbaren zweieinhalb-Stunden Film geschaffen, der es dem Zuschauer ermöglicht, insbesondere dem jugendlichen, sich mit Haut und Haar mit dem jungen McCandless zu identifizieren. Auch wenn die Aussteiger- und eine fast bis zum Anschlag ausgekostete Natur-Romantik Triebfedern des Films zu sein scheinen, so regt er ebenso wie das Buch zum Nachdenken an und schafft es ähnlich Aufbruchs-Triebe zu wecken; und sei es nur, selbst mal wieder auf Fahrt in die Wildnis zu gehen. Besonders die eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen machen Lust auf Kanada und Alaska.

Den Film als DVD gemeinsam in der Gruppe zu schauen und zum Thema zu machen lohnt sich auf alle Fälle.

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Demian

Autor:
Hermann Hesse
Taschenbuchausgabe im Suhrkamp Verlag

Ab 18 (warum, siehe unten…)

Welch ein Buch! Es schafft selbst viele Jahrzehnte nach seinem ersten Erscheinen Jugendliche hinzureißen und zu faszinieren. Vielleicht ist das das Geheimnis: fast jeder erkennt sich schon bald, meist nach nur wenigen Seiten in der Person des Sinclair selbst wieder; „das bin ja ich…“.  Die eigenen Fragen, die eigenen Sorgen und Unsicherheiten, eigenes Schwanken und Scheitern, eigene Sehnsüchte… Auch heute noch!

Schon bald nach der Erstauflage im Jahr 1919 war die Wirkung auf die deutschsprachige Jugend phänomenal.  Thomas Mann schreibt:  Unvergeßlich ist die elektrisierende Wirkung, welche gleich nach dem Ersten Weltkrieg der „Demian“ jenes mysteriösen Sinclair hervorrief, eine Dichtung, die mit unheimlicher Genauigkeit den Nerv der Zeit traf und eine ganze Jugend, die wähnte, aus ihrer Mitte sei ihr ein Künder ihres tiefen Lebens entstanden (während es schon ein Zweiundvierziger war, der ihnen gab, was sie brauchte), zu denkbarem Entzücken hinriß.

Wahrscheinlich beschreibt Hesse, der in einer strenggläubigen Familie in Süddeutschland und der Schweiz aufgewachsen ist, eigene Kindheits- und Jugenderlebnisse.

Die Erzählung beginnt mit dem zunächst 10-jährigen Lateinschüler Emil Sinclair, der schon ahnt, daß neben der heilen Welt des Elternhauses auch eine rauhe, kalte besteht. Er ist auf dem Weg zu sich selbst und entfernt sich zunehmend von den für ihn immer unglaubhafter werdenden Normen, wie Religion und Moral und ebenso auch vom Elternhaus. Sinclair sucht die Berührung mit der ihm fremden Welt und gerät durch harmlose Prahlereien in die Abhängigkeit von Franz Kromer. Getrieben zu kleinen Lügen und Diebstählen sieht er seine heile Kinderwelt zusammenbrechen. Gerettet aus diesen Qualen wird er durch einen Mitschüler namens Max Demian, der gerade neu an seine Schule gekommen ist. Er ist ein selbstdenkender und freier Mensch, der ihn von Franz Kromer schon bald erlöst. Doch Sinclair flüchtet zunächst in seine Kinderwelt zurück und geht Demian aus dem Weg.

Am Ende seiner Kindheit findet er sich in einer neuen Schule und einer neuen, fremden Welt wieder. In der neuen Schule, ist er ein Sonderling, gilt als Zyniker und ist innerlich voll Trauer. Doch durch die Begegnung mit einem Mädchen findet er zunächst zu sich zurück. Es erwacht in ihm aber auch eine Sehnsucht nach Max. Demian. Sein Leben gerät wieder ins Schwanken. Es folgt ein tiefer Fall. Ein junger Orgelspieler kann ihn zunächst ein wenig auf- und einfangen, aber im tiefsten Inneren kennt Sinclair ja den richtigen Weg selbst…

Hermann Hesse ist in einer, auch heute noch, bestechend schön wirkenden Sprache ein zeitlos wirkenden Werk gelungen, das sich gegen äußere Ge- und Verbote wendet und in gewisser weise Selbst­ver­wirk­li­chung und Selbstverantwortung zur ganz besonderen Pflicht des Menschen erklärt. Keine Selbstverwirklichung in jenem Sinne, wie sie heute zumeist verstanden wird, die jedwede Idee und Lust befriedigen möchte, gemeint ist vielmehr die viel tiefergehende Selbsterfüllung, das Erkennen und Freilegen eigener Fähigkeiten und Neigungen und das entfachen solcher vorhandener Gluten zu Bränden in einem selbst, die einen der Vervollkommnung ein wenig näher bringen. Deshalb waren auch die Wandervögel, die ja bereits genau auf diesem persönlich-menschlichen selbstverwirklichenden Aufbruch waren, so ganz besonders begeistert. Es war „das“ Buch, das jeder junge Mann unbedingt gelesen haben sollte.

Das ist heute kein bißchen anders. Auch für uns ist es nach wie vor „das“ Buch, zumindest eines der wesentlichsten, die man gelesen haben sollte! Man sollte es aber keinesfalls zu früh tun, denn die größte Wirkung entfaltet sich durch das Wiedererkennen und das setzt voraus, gewisse Phasen insbesondere nachpubertärer, schon erlebt zu haben. Daher auch die Empfehlung so etwa ab 18 Jahre, nicht vorher…

Hermann Hesse ist bis heute der meistgedruckte Schriftsteller deutscher Sprache. 1946 hat er den Literatur-Nobelpreis bekommen.

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Padre Padrone (Mein Vater, mein Herr)

Autor:
Gavino Ledda
Taschenbuchausgabe im Fischer Verlag

Ab 14,  insbesondere vor oder während einer Sardinenfahrt

Die Geschichte eines Jungen, der als Kind armer sardischer Hirten aufwächst, mit sechs Jahren nach nur vier Wochen gewaltsam von seinem Vater wieder von der Schule genommen wird, um fortan in den rauen Bergen in einer abgelegenen Gegend im Inneren Sardiniens Schafe und Ziegen zu hüten. Statt Lesen und Schreiben lernt er die Einsamkeit kennen, hält Zwiesprache mit der Natur und versinkt in einer einsamen Welt aus archaischem Schweigen und roher Gewalt. Um ihn herum ist nur wilde, sehr einsame Natur, vielerlei Tiere, sein übermächtiger und gewalttätiger Vater und gerademal eine Handvoll Menschen, alles Schäfer oder Hütejungen, so wie er. Die wahre Geschichte ereignete sich zwischen 1944 und 1960 auf Sardinien, also mitten in einem europäischen Land. Sie hätte aber genausogut auch im abgelegenen Bergland des antiken Roms oder Griechenlands spielen können.

Beim Lesen versinkt man in die Rolle des immer älter werdenden Jungen, begleitet ihn auf seinen Streifzügen in die nähere Umgebung seiner Hirtenhütte, beginnt aber auch seine Furcht, ja regelrechte Angst vor seinem Vater zu teilen. Die Ehrlichkeit mit der Gavino Ledda sein Leben beschreibt, gibt dem Buch seine ganz besondere Authentizität, bei der er weder seine Gefühle auslässt, noch Beobachtungen, wie die heranwachsenden Hirtenjungen in jener fast völligen Abgeschiedenheit mit ihrer Sexualität umgehen und sich zuweilen an Schafen oder Eseln abreagieren.

Erst im Alter von 21 Jahren, als er im Dorf, das er aus seinem einsamen Bergquartier nur selten besucht, ein Werbeplakat der italienischen Armee entdeckt, gelingt ihm endlich die Flucht vor dem übermächtigen Vater. Gavino, der kaum Lesen und Schreiben kann, meldet sich freiwillig für die Unteroffizierslaufbahn. Es ist für ihn in der damaligen Zeit die einzige Möglichkeit, der Unterdrückung durch den Vater zu entkommen. Abends in der Kaserne, wenn seine Kameraden schon schlafen, zieht er sich auf die Toilette zurück, den einzigen Raum mit durchgehender Beleuchtung, und übt das Lesen und Schreiben. Er hat Glück und findet einen Kameraden und Freund, der ihm dabei entscheidend hilft und ebenso einen Vorgesetzten der ihn fördert.

"Padre Padrone" ist durch den dauernden Vater -Sohn-Konflikt sowohl ein Zeugnis des Widerstandes gegen die Unterdrückung durch patriarchalische  Autoritäten, als auch eine Gesellschaftskritik, denn die Geschichte beleuchtet ja auch die Sitten einer archaischen Welt, die immerhin im 20. Jahrhundert, in Europa vermeintlich einer längst vergangen Zeit gehörten.  

Gavino Leddas autobiographische Lebensgeschichte  errang in kürzester Zeit einen großen Erfolg, bis heute wurden mehr als eineinhalb Mil­lio­nen Exemplare des "Padre Padrone" verkauft. Es gewann den Literaturpreis "premio Viareggio" und wurde in vierzig Sprachen über­setzt. Der 1977 entstandene Film der Brüder Taviani gewann die Goldene Palme beim Filmfestival in Cannes.

Das Buch ist ein Muss vor oder während einer Sardinenfahrt.

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Jakob von Gunten. Ein Tagebuch

Autor:
Robert Walser
Bei Suhrkamp als Taschenbuch, 160 Seiten

Ab 14

Jakob von Gunten ist von zuhause abgehauen und hat sich beim Institut Benjamenta in Berlin eingeschrieben, eine Schule auf der man lernen soll, ein guter Diener zu werden. Doch die Schule ist ihm verdächtig. Das Auswendiglernen findet er stumpfsinnig und seine Mitschüler erscheinen ihm viel zu brav. Er notiert seine Erlebnisse, Eskapaden, Konflikte und Gedanken in ein Tagebuch. Sein Mitschüler Kraus ist viel eifriger und dienstfertiger – er wird mal ein guter Diener. Aber Jakob?  Von dem strengen Riesen, Herr Benjamenta, Direktor – neben seiner göttlich schönen Schwester Frau Benjamenta – auch der einzige Lehrer am Institut, geht für ihn gleichzeitig eine schwer zu fassende Faszination aus.  Doch auch umgekehrt beginnt sein Lehrer sich für diesen Jugendlichen, der so anders ist als seine Mitschüler, zu interessieren. Was macht dieser feine aber gleichzeitig rotzfreche Junge hier an dieser Schule?!

Sein Tagebuch beginnt so:

„Man lernt hier sehr wenig, es fehlt an Lehrkräften, und wir Knaben von Insitut Benjamenta werden es zu nichts bringen, das heißt, wir werden etwas sehr Kleines und Untergeordnetes im späteren Leben sein. Der Unterricht, den wir genießen, besteht hauptsächlich darin, uns Geduld und Gehorsam einzuprägen, zwei Eigenschaften, die wenig oder gar keinen Erfolg versprechen. Innere Erfolge, ja. Doch was hat man von solchen? Geben einem innere Errungenschaften zu essen? Ich möchte gern reich sein, in Droschken fahren und Gelder verschwenden. Ich habe mit Kraus, meinem Schulkameraden, darüber gesprochen, doch er hat nur verächtlich die Achseln gezuckt und mich nicht eines einzigen Wortes gewürdigt. Kraus besitzt Grundsätze, er sitzt fest im Sattel, er reitet auf der Zufriedenheit, und das ist ein Gaul, den Personen, die galoppieren wollen, nicht besteigen  mögen. Seit ich hier am Institut Benjamenta bin, habe ich es fertig gebracht, mir zum Rätsel zu werden. Auch mich hat eine ganz merkwürdige, vorher nie gekannte Zufriedenheit angesteckt. Ich gehorche leidlich gut, nicht so gut wie Kraus, der es meisterlich versteht, den Befehlen Hals über Kopf dienstfertig entgegen zu stürzen. In einem Punkt gleichen wir Schüler, Kraus, Schacht, Schilinski, Fuchs, der lange Peter, ich, usw., uns alle, nämlich in der vollkommenen Armut und Abhängigkeit. Klein sind wir, klein bis hinunter zur Nichtswürdigkeit. (…) Mir zum Beispiel ist das Tragen der Uniform sehr angenehm, weil ich nie recht wusste, was ich anziehen sollte. Aber auch in dieser Beziehung bin ich mir vorläufig noch ein Rätsel. Vielleicht steckt ein ganz gemeiner Mensch in mir. Vielleicht aber besitze ich aristokratische Adern. Ich weiß es nicht. Aber das Eine weiß ich bestimmt: Ich werde eine reizende, kugelrunde Null im späteren Leben sein. Ich werde als alter Mann junge, selbstbewusste Grobiane bedienen müssen, oder ich werde betteln, oder ich werde zugrunde gehen.

Über das Großstadttreiben schreibt er „Oft gehe ich aus, auf die Straße, und da meine ich, in einem ganz wild anmutenden Märchen zu leben. Welch ein Gedränge, welch ein Rasseln und Prasseln. Welch ein Geschrei, Gestampf, Gesurr und Gesumme. Und alles so eng zusammen gepfercht. Dicht neben den Rädern der Wagen gehen die Menschen, die Kinder, Mädchen, Männer und elegante Frauen; Greise und Krüppel, und solche, die den Kopf verbunden haben, sieht man in der Menge. Und immer neue Züge von Menschen und Fuhrwerken. Die Wagen der elektrischen Trambahn sehen wie figurenvollgepfropfte Schachteln aus. Die Omnibusse humpeln wie große, ungeschlachte Käfer vorüber.“

Und zum Unterricht denkt Jakob „In der Unterrichtsstunde sitzen wir Schüler starr vor uns herblickend, da, unbeweglich. Ich glaube man darf nicht einmal die persönliche Nase putzen. Die Hände ruhen auf den Kniescheiben und sind während des Unterrichts unsichtbar. Hände sind die fünffingrigen Beweise der menschlichen Eitelkeit und Begehrlichkeit, daher bleiben sie unter dem Tisch hübsch verborgen. Unsere Schülernasen haben die größte Ähnlichkeit miteinander, sie scheinen alle mehr oder weniger nach der Höhe zu streben, wo die Einsicht in die Wirrnisse des Lebens leuchtend schwebt. Nasen von Zöglingen sollen stumpf und gestülpt erscheinen, so verlangen es die Vorschriften, die an alles denken, und in der Tat, unsere Riechwerkzeuge sind demütig und schamhaft gebogen. Sie sind wie von scharfen Messern kurz gehauen. Unsere Augen blicken stets in gedankenvolle Leere, auch das will die Vorschrift. Eigentlich sollte man gar keine Augen haben, denn Augen sind frech und neugierig, und Frechheit und Neugierde sind fast von jedem gesunden Standpunkt aus verdammenswert.“

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Herr der Fliegen

Autor:
William Golding
als Taschenbuch im fischerverlag

ab 11 (ein Muß für Jungs!)

Während gerade ein großer Krieg, gar ein Atomkrieg heraufzieht, muß irgendwo in der Südsee, weitab von geplanten Kurs ein Flugzeug mit einer Gruppe von 6-12 Jahre alter Internatsschüler, alles Jungen, notwassern. Das Flugzeug versinkt und alle Erwachsenen sind tot, nur der Pilot ist schwerverletzt und nicht ansprechbar. Die Jungen erreichen eine unbewohnte Insel, mit Sandstrand, Palmen und Bergen. Da es Süßwasser, Bananenstauden und Kokosnusspalmen gibt, ist das Überleben zunächst gesichert.

Ralph, der älteste, fängt an, die Jungen zu einer Gruppe zusammenzufügen. Er versucht alles so zu machen, wie er es von den Erwachsenen kennt. Er ruft Versammlungen ein, organisierst Dienste und weckt Hoffnung auf Rettung, indem er auf dem nahen Berg durch organisierte Wachen ein ständiges Signalfeuer am Brennen hält.

Eigentlich eine ganz normale Gruppenbildung, wäre da nicht ein Konkurrent, Jack, ein Junge, der fast ebenso alt ist und auch gerne anführen will. Zunächst sind Ralph und Jack Freunde, doch schon bald entwickelt sich aus der Konkurrenz Feindschaft. Während Ralph auf Zusammenhalt und baldige Rettung setzt, will Jack Abenteuer und Spaß und zunehmend auch Macht. Zunächst beginnt er mit ein paar Jungs auf die Jagd zu gehen. Schon dabei sieht man wie sich bei ihnen alles „Zivilisatorische“, auf dessen Erhalt es Ralph ankommt, Stück für Stück abgeschüttelt wird. Zunächst wie alle anderen auch, nur barfuß und oberkörperfrei, ist Jacks Gruppe schon bald nur noch mit Lendenschurz bekleidet und zu den Jagden mit Speeren bewaffnet und furchterregend angemalt unterwegs.

Als das Signalfeuer verlischt, gerade als in der Ferne ein Flugzeug auftaucht, eskaliert die Situation. Ralph macht Jack Vorwürfe und die Gruppen trennen sich endgültig. Auf die Jungs macht Jacks abenteuerlustiges Treiben viel mehr Eindruck als Ralphs Vernunft, sodaß sie sich nach und nach Jack anschließen und Ralph schließlich fast ganz alleine dasteht. Die Eskalation beginnt dann jedoch erst richtig und es gibt Verfolgungsjagden und schon bald erste Tote.

Nebenbei bekommt man mit, wie eine neue Religion entsteht. In einer Höhle am Berg scheint ein Monster zu hausen. Damit wissen die Jungs zunächst nicht umzugehen, sie interpretieren nur; von dort droht eine nicht erkenn- und somit auch nicht fassbare Gefahr. Wie sollen sie damit umgehen?! Der offenbar einzige Weg; das „Monster“ soll gnädig gestimmt werden, deshalb werden ihm „Opfer“ gebracht. Die Köpfe der erjagten Wildschweine werden vor der Höhle auf Speere aufgespießt und fallen dann den Fliegen anheim, die sie in Scharen umkreisen > Herr der Fliegen.

Herr der Fliegen ist ein durch und durch bis zur allerletzten Seite spannendes Buch, in das sich insbesondere Jungs im passenden Alter, aber bestimmt auch später noch, gewiß gut hineinversetzten können. Neben der sehr abenteuerlichen, spannenden Geschichte ergeben sich, und das macht das Buch so ganz besonders interessant, eine ganze Menge Nebenstränge über die man gewiß nachdenken wird; so z.B. die verschiedenne Wege der Gruppenbildung, mit und ohne Feindbild, die „Gefahren“ einer demokratischen Gesellschaft, langweilige Vernunft kontra Spaß und Abenteuer, Treue und Verläßlichkeit, Eskalation und die Vorstufen dazu und schließlich die Entstehung einer eigenen Religion aus Unwissenheit und Furcht.

Während des Lesens wird man sich vermutlich immer wieder die folgenden Fragen stellen: Wann und wie hätte man die Eskalation noch verhindern können? Können nur feste Regeln die zum Teil „bösen“, zumindest wilden menschlichen Triebe zügeln? Wem hätte ich mich angeschlossen, wenn ich dabei gewesen wäre? Ist tatsächlich stets eine ganz einfache Einteilung in richtig und falsch, gut und böse möglich? Wenn ja, schon in jeder Situation, oder kann man, wenn überhaupt, eine solche Klassifizierung nicht erst vom Ende her anstellen?

Herr der Fliegen wird oft in Schulen durchgenommen, die Vorgaben der Bewertung sind dann meist erwachsenen- und vernunftgerecht bzw. schwarz und weiß. Das könnte (sollte?) man jedoch auch anhand der eben gestellten Fragen  überdenken, vorallem dann, wenn man versucht sich tatsächlich hineinzuversetzen und dabei gegen sich ehrlich ist…. Jungs dürfte das ganz gut gelingen.

Ein Buch, das man als Jugendlicher, als Junge unbedingt gelesen haben sollte, ideal auch, um in der Gruppe miteinander darüber zu reden.

Der englische Schriftsteller William Golding (1911 bis 1993) hat nicht an den Mythos vom unschuldigen Kind glauben wollen und ihn deshalb so vollständig zertrümmert, bis nichts mehr von ihm übrig blieb, nur Blut und Tränen und ein berühmter Roman, wie es in einer Buchbesprechung der Zeit hieß. Der Autor hat für seinen Roman nicht nur viel Ruhm, sondern auch den Literaturnobelpreis erhalten.

Zweimal wurde das Buch verfilmt, 1963 in schwarz-weiss und 1988. Beide Filme sind absolut sehenswert und – was nur selten vorkommt – genausogut wie das Buch. Empfehlung auch hier: gemeinsam in der Gruppe schauen und zum Gesprächsthema machen.

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Alexis Sorbas

Autor:
Nikos Kazantzakis
Taschenbuchausgabe im Rowohlt Verlag

Ab 15 (FSK 16)

Ein weiser, tragikomischer, wunderbarer Schelmenroman, bei dem man einerseits Griechenland und griechische Mentalität von leichter und sonniger Seite erlebt, andererseits aber auch mit archaisch-grausamen Elementen der griechischen Kultur konfrontiert wird. Mehreren Leuten, darunter alten Damen, wird sehr übel mitgespielt.​

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen jedoch ein belesener Engländer, der ein Bergwerk auf Kreta geerbt hat und unter einfachen Menschen ein neues Leben beginnen will, sowie ein ungebildeter, aber lebenserfahrener Mann mit einem unverfälschten gesunden Menschenverstand, der Santuri spielt und gerne tanzt.

Zu Beginn des Buches wird der junge Geschäftsmann im Hafen von Piräus von dem etwa 65 Jahre alten Vagabund Alexis Sorbas angesprochen: "Kannst du mich mitnehmen?" "Wieso? Was soll ich mit dir anfangen?" Unwirsch erwidert der Makedonier: "Wieso? Weshalb? Kann denn der Mensch nicht auch einmal etwas tun ohne ein Wieso?" Doch dem Engländer gefällt der urwüchsige Mann, er nimmt ihn mit nach Kreta und stellt ihn als Aufseher ein. Und so setzt sich die Geschichte fort, es geht um das Bergwerk und Versuche den Betrieb rentabel zu machen, aber eben auch um verschiedenste Bewohner im nahen Dorf.

Der Kern der Erzählung dreht sich jedoch um die Begegnung zweier völlig verschiedener Menschen, Weltsichten und Mentalitäten. Der wohlhabende Intellektuelle trifft auf einen urwüchsigen, sehr einfach gestrickten Makedonier, der mit seinen ganz persönlichen Meinungen und Sichtweisen meist den herkömmlichen Auffassungen widerspricht. Seit einem schockierenden Erlebnis als Freiheitskämpfer versucht Sorbas Ideologien von sich fernzuhalten und ein wirklich freier Mensch zu werden. Seinem grübelnden Freund wird er immer mehr zum Vorbild und lehrt ihn, was unmittelbare Lebensfreude ist.

Buch und Film geben ganz andere als die sonst gewohnten Einblicke ins Fahrten- und Urlaubsland Griechenland, nämlich auch in die Abgründe der kretischen dörflichen Gesellschaft des letzten Jahrhunderts. Lohnenswert zu lesen für all diejenigen, die auf der Suche danach sind, was den Mensch ausmacht und ausmachen kann und natürlich vor einer Kreta- oder Griechenlandfahrt.

Der hochgebildete Kreter Nikos Kazantzakis habilitierte sich 1908 mit einer Arbeit über Friedrich Nietzsche und setzte sich auch mit anderen Philosophen auseinander. 1946 erschien sein Roman "Alexis Sorbas". Noch bekannter als das Buch wurde der 1964 gedrehte und auch heute noch unbedingt sehenswerte schwarz-weiß Film "Alexis Sorbas", mit Anthony Quinn in der Hauptrolle und der Titelmusik von Mikis Theodorakis.

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Rosen für Apoll

Autor:
Joachim Fernau
Herder-Verlag

Ab 15

Daten, Namen, Epochen… Geschichte kann langatmig und trocken sein, oder aber auch kurzweilig, heiter und spannend. Bei Joachim Fernau ist Geschichte auch für jugendliche Schüler kein bißchen langweilig, denn wir geraten mitten hinein ins damalige Leben des antiken Griechenland. Es geht nicht um Zahlen und Daten, sondern vielmehr um Ereignisse und die Personen rings herum, an deren mutmaßlichen Überlegungen wir ebenso beteiligt werden wie auch an deren Lebensgefühl.

Rosen für Apoll ist keine akribische Faktensammlung, kein gebündeltes Abitur-Geschichtswissen, sondern vielmehr eine Liebeserklärung an das antike Hellas und vielleicht ein Schlüssel zu dessen Mentalität. Man lege Apoll nicht "das Abiturientenzeugnis als Eintrittskarte zu Füßen", sagt Fernau, „denn dieser Gott will Rosen“, also: "Vergeßt die Rosen nicht, wenn ihr den Fuß in eine Zeit setzt, in der die Götter noch verliebt waren und lächeln durften!"


Fernaus Ritt durch 500 Jahre griechische Geschichte, etwa 800 v.C. bis 300 n.C. ist geistreich geschrieben, mit viel Witz und Ironie und gelegentlichem Bezug in unsere Gegenwart. Mehr als einmal muss man innehalten und lachen, oder doch wenigstens schmunzeln. Über den mehr als 30jährigen peloponnesischen Krieg etwa schreibt er: „Da es Deutschland noch nicht gab, kann man schwer sagen, wer schuld hatte.“

Mit seinem sehr persönlichen Stil vermittelt er vieles ‚zwischen den Zeilen‘ und bringt einen immer wieder zum Nachdenken. Das scheint auch seine Absicht zu sein, denn an vielen Stellen bezieht er den Leser auch ganz direkt mit ein und fragt bisweilen mal mittendrin: "Sie fragen sich bestimmt schon, wann kommen denn endlich die Perser? Geduld, denn vorher muss ich Ihnen unbedingt noch dieses Kapitel erzählen..."

Die Seele der Griechen beschäftigt ihn stark, er glaubt, daß sie unserer deutschen sehr ähnlich war: "Die Griechen suchten Schönheit, nicht die Wahrheit". Und so seziert er mit einem verschmitzten Lächeln den Klüngel der Städte, manche fast kindlichen Machtspiele, die grandiosen Heldentaten und die Zufälle der Geschichte.

Manche Geschichtslehrer und Historiker haben ihn respektlos genannt - ja, respektlos ist er durchaus - gegenüber so manchen heutigen Wahrnehmungs-Klischees. Vor den alten Griechen, das merkt man deutlich, zieht er jedoch zumeist ehrfurchtsvoll den Hut auch wenn er sie bisweilen uns als Menschen fast auf Du und Du nahe und sich und uns zum Schmunzeln bringt. Dadurch wird aber beileibe nichts abgewertet, einiges vielleicht ein wenig vermenschlicht, aber dennoch: Manche Episoden haben solche Aussagekraft, daß man sie ausschneiden und an die Wand hängen könnte oder sie sind, wie die Schlacht bei den Thermophylen, so eindringlich, daß es einem fröstelnd über den Rücken läuft (wenn man denn für Heldentaten eine Ader hat…).

Am Ende hat man einen guten Überblick gewonnen, über Homer und Troja, Odysseus, die Anfänge der Demokratie und Tyranneien, griechische Philosophie, die Olympischen Spiele, die Spartaner, die Perserkriege bis hin zu Alexander dem Großen. Da die Makedonier Philipp und Alexander keine Griechen im engeren Sinn waren, sind die beiden relativ stark zusammengefasst. Schwerpunkte sind der Aufstieg Athens, dessen steter Wettbewerb mit Sparta, die Peloponnesischen Kriege und die drei Perserkriege 490-479.

Gewiß hat man mit Fernaus extravagantem Geschichtsbuch sein Schulwissen noch mal erheblich erweitert – man wird sich nun in dieser Epoche durchaus besser auskennen. Noch wichtiger aber: Womöglich hat Fernau unser Geschichtswissen auf eine ganz neue Grundlage gestellt, eine sehr menschliche, und am Ende fühlt man vieleicht gar ein schon fast persönlich-verwandtschaftliches Verhältnis zu den Urvätern unserer europäischen Kultur. Kann Geschichte und deren Vermittlung zu schöneren Ergebnissen führen?!

Doch Vorsicht! Fernau kann durchaus Einstiegsdroge sein, um sich Geschichte nicht nur anzunähern, sondern um wirkliches, weitergehendes Interesse dafür zu entwickeln.

Auf jedenfall lohnt es sich, Rosen für Apoll vor oder während einer Griechenlandfahrt zu lesen. Man begegnet den antiken Bauwerken und manchen Orten noch mal ganz anders und sie bleiben dann, weil sie nun vielleicht magisches oder verklärtes ausstrahlen, viel stärker in Erinnerung.

Viele Kapitel sind, insbesondere während einer Hellasfahrt, gut zum vorlesen geeignet.

Noch kurz zum Autor: Joachim Fernau wurde 1909 in Bromberg/Westpreussen geboren, studierte in Berlin und arbeitete als Journalist. Seit1932 lebte er als freier Schriftsteller in München und der Toskana. Im Zweiten Weltkrieg war er Kriegsberichterstatter.  Er veröffentlichte mehr als 20 Bücher, von denen sich einige millionenfach verkauften. 1988 starb er in Florenz.

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Wir pfeifen auf den ganzen Schwindel

Autor:
Berry Westenburger
Spurbuchverlag

Ab 14

Berrys Buch beginnt mit der Erlebniswelt eines 12 jährigen Knaben, der sich auf die Suche nach einer guten Jugendgruppe macht. Das war 1932 in Frankfurt am Main, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Mit Hilfe der Mutter, aber verborgen vor dem Vater, der seinen Sohn lieber in einem Sportverein sehen wollte wurden die unterschiedlichsten Werbezettel studiert und schon im Vorfeld Wanderschuhe und Ausrüstung gekauft. Schließlich trat der 12jährige in ein Frankfurter Fähnlein des Nerother Wandervogel ein.

Doch nur zwei Jahre später, 1934, wurden alle freie Jugendbünde verboten, so auch die Frankfurter Wandervogelgruppe. Dennoch trafen sich die Jungs weiter, nun illegal und gingen auch, vorwiegend im Taunus weiterhin auf Fahrt, ja bauten sich dort sogar eine Hütte als Unterschlupf aus.

Die Gefahr jedoch war groß, der Streifendienst der HJ, aber auch die Gestapo machten inzwischen Jagd auf bündische Gruppen. 1938 erfolgte die Verhaftung und Gefängnisaufenthalt, dann, nach Kriegsausbruch Begnadigung und sofortiger Einsatz als Soldat. Zuletzt beim Afrika-Korps. Dort dann Verwundung und Gefangennahme.

Aus der Gefangenschaft versuchte Berry zweimal zu fliehen, auch davon berichtet das Buch.

Berrys Mutter war als Halbjüdin inzwischen nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet worden.

Nach dem Krieg, schon bald nach Frankfurt zurückgekehrt, engagierte sich Berry um in Frankfurt aus den übriggebliebenen Resten neue bündische Gruppen aufzubauen. Bis 1948 war er dann der Landessprecher der „Hessischen Jungenschaft“. Später hat er dann oft in Vorträgen, auch in Schulen und Fachhochschulen, einmal auch in Weinbach, über die Haltung und die illegalen Aktivitäten mancher bündischer Gruppen im Nationalsozialismus berichtet.

Sicher, über die Zeit des Nationalsozialismus ist schon allerorten ausgiebig berichtet worden. Die Verbrechen sind uns allen bekannt und der tragischen Bruch in unserer Geschichte und die fatalen Folgen für unser Land und auch für unser Volk sollten es eigentlich auch sein. Dennoch ist Berrys Buch aber nicht einfach nur ein weiteres Werk dazu. Interessant, besonders für uns, ist die Erlebniswelt und damit auch die Sicht des Erzählenden. Ein Junge, gerade 14 Jahre alt, erlebt, dass seine Jugendgruppe verboten wird. Mit 18 kommt er ins Gefängnis, n u r weil er dennoch weiter mit seinen Freunden auf Fahrt geht, Wandervogellieder singt....

Für Außenstehende ist all das kaum nachvollziehbar, nur wer gute Gruppe selbst erlebt (hat), wird tatsächlich verstehen können, was es bedeutet in einer guten Horte, Sippe oder Fähnlein Freunde gefunden zu haben und zudem eine Erlebniswelt von kaum beschreibbarer Tiefe und Fülle. Möglich, dass sich da Jungs, die ja zum Teil im gleichen Alter sind, vielleicht hier und da wiedererkennen, sich mit der Fahrten-, Gedanken- und Gefühlswelt des jungen Berry identifizieren können, gewiß auch wir Älteren, egal, ob Weinbacher oder aus anderen Bünden. Und dann wird Geschichte auf einmal lebendig, wird hoffentlich Interesse geweckt und Ereignisse leichter verstehbar. Besonders natürlich, wenn man den Zeitzeugen persönlich kannte, ihn erlebt hatte und fragen konnte. Und das ist ja in unseren Bereichen sowieso nicht schwierig, weil Jüngere und Ältere im bündischen Bereichen recht unkompliziert miteinander umgehen.

Was Berry auszeichnet ist nicht nur, das er das alles heute aufgeschrieben hat und damit auch den Frankfurter Bündischen ein Geschichtsbuch über deren Vorkriegsaktivitäten gibt, vorallem zeichnet ihn aus, und das ist das Wesentliche, dass er auch in schwerer Zeit und gegen alle Stimmungs- und Mehrheitstrends, trotz massiver öffentlicher, auch medialer Gleichschaltung, trotz massivem Druck, ja sogar trotz Druck aus der eigenen Familie seinen Idealen und seinen Freunden treu geblieben ist. Das spricht für eine Haltung und für Wahrhaftigkeit und damit kann er durchaus, auch jetzt psotum, als Vorbild dienen. Und Vorbilder bei uns sind ja nicht Superstars, denen man kreischend huldigt, sondern eher Leuchttürme, die einem helfen, die eigene Position verorten zu können.

Doch das Buch ist auch eine Ode an die Freundschaft, wie sie ja gerade in bündischen Gruppen und beim Wandervogel gelebt wird. Das wird besonders durch die vielen, vielen Briefe deutlich, die die ehemaligen Horten- und Fähnleinkameraden auch in der Kriegszeit miteinander austauschen, die zwischen den Frontabschnitten von Russland, Frankreich bis nach Nordafrika hin und her gingen, ja, hier und da war es sogar möglich, dass die Freunde zur gleichen Zeit Fronturlaub nehmen und sich treffen konnten.

Aufmerksam gelesen wird das Buch zudem auch Klischee- oder Pauschalurteile erschüttern, die sich in ihrer Vereinfachung und Plattheit in den letzten Jahren immer weiter durchsetzen. Man könnte sich beispielsweise fragen, warum Berry weiter Soldat geblieben ist, obwohl ihn das Regime doch sogar eingesperrt hatte, warum selbst dann noch, als seine Mutter ins KZ verschleppt wurde?

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Auf den Marmorklippen

Autor:
Ernst Jünger
Ullsein-Taschenbuch-Verlag

Ab 15

Der Roman „Auf den Marmorklippen“, eine Erzählung über einen Tyrannen der durch seinen Willen nach Herrschaft eine ganze Zivilisation in den Untergang reißt, erschien zu einem Zeitpunkt der nicht passender hätte sein können – 2 Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

In die romantisch anmutende Seenlandschaft „Marina“ zieht es nach langen Kriegsjahren den Erzähler und seinen Bruder Otho, welche dort zurückgezogen auf den Marmorklippen über der „großen Stadt“ leben. Aufgrund ihrer Abneigung gegenüber einem gewalttätigen Widerstand müssen sie zusehen wie der „Oberförster“ genannte Tyrann mit seinen Schergen Tag um Tag mehr Einfluss in der Marina erringt. Als Unrecht und Grauen jedoch ihren Zenit erreichen ergreifen die beiden Brüder zusammen mit den letzten Freien zu den Waffen – mit furchtbaren Folgen.

Ernst Jünger, der als Feldwandervogel den 1. Weltkrieg überlebt hat und später für die Wehrmacht im Stab des Militärbefehlshabers von Frankreich arbeiten wird, beschreibt in seinem Roman wie eine wundervoll anmutende Welt Stück für Stück dem machtbesessenen Oberförster und seinem barbarischen Anhang in die Hände fällt. Die Parallelen zwischen Roman und der Lebenswelt Jüngers sind nicht zu übersehen, seine Erzählung unglaublich vorausschauend. So konfrontiert er bereits 1939 den Leser mit den „Schinderhäuser“ des Oberförsters, deren grauenhafte Beschreibung nichts anderes als ein Konzentrationslager der Nationalsozialisten darstellt.

Der Schreibstil Jüngers wird häufig als „Ästhetik des Wunderbaren“ bezeichnet. Tatsächlich liest sich der Roman mit seinen detailliert Beschreibungen und packenden Erzählungen nicht selten wie ein Lied von Turi. Neben seinem sehr ansprechenden Schreibstil ist der Roman jedoch vor allem wegen dem was sich zwischen den Zeilen herauslesen lässt – oder auch nicht – auf jeden Fall zu empfehlen.

Denn der negative Ausgang eines Aufstands der „letzten Freien“ wird Jünger häufig zur Kritik gehalten, da es den Anschein erweckt als sei der Kampf gegen ein übermächtiges und unmenschliches System von vornherein Sinnlos. Durch die Frage ob „Auf den Marmorklippen“ als Widerstandsbuch zu behandeln ist bleibt der Roman aktuell und streitbar.

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Heinrich von Ofterdingen

Autor:
Novalis
Reclam Verlag, als Neuausgabe erhältlich

Ab 15 , für Romantiker und Sucher nach den Quellen des Wandervogel-Aufbruchs

"Es träumt sich nicht mehr so recht von der Blauen Blume. Wer als Heinrich von Ofterdingen erwacht, muß verschlafen haben", schrieb Walter Benjamin 1927 und auf dem Germanistentag 1968 war auf Transparenten zu lesen: "Schlagt die Germanisten tot, macht die blaue Blume rot!".

Die Moderne hatte offenbar wenig übrig für Romantik, wobei Novalis 1802 erschienener Roman 'Heinrich von Ofterdingen' seit seinem Erscheinen als der romantische Roman schlechthin galt.

Für den Wandervogel wirkte er inspirierend, lag doch Novalis, ein kritischen Hörer Fichtes, viel an der Veranschaulichung eines inneren Weges zur Vervollkommnung, der den Menschen reifen und Erfüllung finden läßt. Zudem ist die titelstiftende Jüngling Heinrich zu Romanbeginn ‚eben zwanzig Jahre alt geworden' und wird sich deutlich vom Werte- und Lebensbereich seines Vaters abwenden und zum Dichter entwickeln. Er deutet damit, über sein ganz persönliches ‚Erwachsenwerden‘ hinaus auch das Ende mittelalterlicher und kindlicher Ordnungen ab,  in der Zeit des Umbruchs, 10 Jahre nach der Französischen Revolution und der Kantschen Vernunftkritik.

Beschrieben wird die im Hochmittelalter angesiedelte die Reise eines Jünglings nach Augsburg. In Begleitung von Kaufleuten begegnet er praktischen Lebensverhältnissen, bekommt Märchen und Geschichten erzählt und hat zukunftsweisende Träume. Mit dem Traum von der Blauen Blume, die dadurch zum Sinnbild deutscher Romantik und zur fortwährenden Suche des Wandervogels nach Innerlich- und Ganzhaftigkeit werden sollte, beginnt auch das erste Kapitel.

Als Ahnung nimmt der Traum die Begegnung mit einer zunächst noch fremden Welt vorweg. Unterwegs begegnet er einem Bergmann, der ihn ins Erdinnere und damit auch ins Innere der Natur führt. Von einem Einsiedler erhält Heinrich Aufschluss über die Kunst der Geschichtsschreibung, die keine bloße Faktennotiz, sondern sich immer als deutende Gestaltung vollzieht. In Augsburg trifft Heinrich schließlich den Dichter Klingsohr und verliebt sich in dessen Tochter Mathilde. Im zweiten Teil des Buches n wandelt sich das  Geschehen zunehmend ins Märchenhafte.

Leseprobe:

Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einförmigen Takt, vor den klappernden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben, sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zu Muthe gewesen: es ist, als hätt' ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab' ich damals nie gehört. Wo eigentlich nur der Fremde herkam? Keiner von uns hat je einen ähnlichen Menschen gesehn; doch weiß ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin; die Andern haben ja das Nämliche gehört, und Keinem ist so etwas begegnet.

...

Du Langschläfer, sagte der Vater, wie lange sitze ich schon hier, und feile. Ich habe deinetwegen nichts hämmern dürfen; die Mutter wollte den lieben Sohn schlafen lassen.

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